Freitag, 2. August 2013

komm ich überhaupt noch heim?

Kaum war ich früh wach, schmiss ich alle schweren Teile aus meinem Zelt, machte das Zelt los und zog es 5 Plätze weiter. Dort machte ich es wieder fest. Ihr könnt mich mal!

Dann schwang ich mich aufs Rad und radelte los. Mittlerweile war mir eingefallen, ich könnt ja auch nach Ravenna zurück-radeln und schon mal ein Zugticket besorgen, weil dann hätte ich das auch schon bezahlt und brauchte nicht mehr gar so auf meinen Geldbeutel aufpassen. Gute Idee!

Auf dem Weg nach Ravenna liegt diese Brücke. Weil nur 1 Auto durch passt, steht eine Ampel dort. Es darf immer nur 1 Richtung fahren. Ich ließ mal erst alle Autos vor und hängte mich dann ganz zum Schluss mit dran, dass ich noch rüber kam.

Ich hatte mal zuhause, um dort die Christenmeile vor dem Burger King mit "666" zu beschmieren, ein paar Kindern ein Stück Straßenkreide geklaut. Das Stück lag noch in ner Seitentasche von meinem Rucksack. Jetzt konnte ich das super brauchen, weil nun markierte ich die Straßen, aus welcher Seitenstraße ich eingebogen war, damit ich später aus Ravenna wieder zum Campingplatz finden würde.


Bis nach Ravenna waren es doch schon wieder 18 km.

Als ich dort war, radelte ich gleich zum Bahnhof. Der Schalterbeamte machte eine Zugverbindung mit Bicicletta nach München am Dienstag für mich ausfindig, konnte die aber nicht buchen, weil grad die Verbindung zum Computer nicht ging. Ich sollte halt einfach heut nachmittag nochmal kommen, meinte er. Er druckte mir die Zugverbindung aus und ich scherte mich damit davon.

Da guckte ich mir halt nochmal Ravenna an. So bei Sonnenschein sah das eh schöner aus als bei Regenwetter.


Ich trank nen Capucchino, guckte mir die Stadt an und schlenderte so ein bisschen rum.

Kaum kommt aber die Mittagshitze, werden die Gehsteige hochgeklappt. Also das ist echt immer gespenstisch: Die Läden machen zu, nur noch jede 3. Bar hat dann mal Notbetrieb, damit die Touristen was zum Geldausgeben haben und ansonsten liegt eine bedrückende Stille und maßlose Hitze über der ganzen Stadt.

Ich gammelte so rum. Gegen vierteldrei hatte ich eigentlich alles an Innenstadt gesehen. Ich kam immer nur wo raus, wo ich vorhin schon war. Also guckte ich mal zum Bahnhof, mal fragen, ob der Computer schon geht.

"Mein" Schalterfritze hatte wohl Mittagspause, denn es war nur noch 1 Schalter geöffnet, da saß ne alte Frau drin. "Sprechen Sie Deutsch?" sagte ich langsam und deutlich. Sie schüttelte mit dem Kopf. "Do you wenigstens speak English?" fragte ich, aber das konnte sie auch nicht. Stinkig, weil sie nix konnte, motzte sie mich an, dass ich hier in Italien sei und da wird Italienisch gesprochen - so weit hatte ich es noch kapiert, was sie Italienisches schimpfte. Ja, mei, ich dachte, ich bin hier an einem Bahnhof, wo es gang und gäbe ist, dass gelegentlich mal NICHTitaliener auftauchen? Blöde alte Kuh (vecci wie war das? Muss ich nochmal den Ino fragen).

Also allemal hatte ich es bei der sowieso verschissen. Es gibt halt einfach Leute, denen gefällt meine schöne Nase nicht... oder meine Piercings oder mein Deicide-T-Shirt mit großem Pentagramm drauf oder dass ich Deutsche bin oder was weiß ich. Lecko mordito oder so!

Ich schob den Ausdruck von heute morgen rüber, weil vielleicht konnte dieses Stronzo wenigstens lesen. Sie gab die Daten in den PC ein, die Verbindung funktionierte. Ein junger Mann hinter mir hatte sich eingemischt und das Englische, was ich dazu sagte, für die alte Schrulle übersetzt. Er übersetzte mir auch, was die Italienisches sagte: der Zug war schon voll.

Was? ...und der Zug am Mittwoch?

Sie könnte jetzt nicht gucken, dolmetschte der Mann, es sei besser, ich komm um 15 Uhr wieder. Da ist dann jemand am Schalter, der Englisch kann.

Na bravo! Ich krieg die Krise!

Das war der Moment, wo dann bei mir echt wieder das Katastrophendenken einsetzt: Was mach ich bloß, wenn ich kein Zugticket mehr krieg?? Am Montag, den 12., muss ich schon wieder in die Arbeit und davor gibts immer noch kein Zugticket? ...höchstens für eine Person, aber nicht mit Fahrradmitnahme? Und weil echt alle Züge grundsätzlich über München fahren, gibts auch keine Alternative, also z.B. über Wien (oder von mir aus auch über Hamburg oder Berlin oder so)? Da wär ich wenigstens schon mal in einem deutschsprechenden Land und da käm ich dann auch schon irgendwie durch.

Ich rechnete mir aus: Bis zum 12. sind es noch 9 Tage. Ich mach durchschnittlich 70 km am Tag mit dem Fahrrad, wenn ich mich reinstress, dann auch 80. Das sind knapp 700 km, aber den Durchschnitt halt ich nicht in den Alpen, und überhaupt: soll ich über den Brenner radeln und wie?

Ich wartete erst mal bis 15 Uhr und ging dann nochmal hin. Da war dann zwar auch bloß ne alte Tussi am Schalter, die kein Englisch konnte, aber mit Händ' und Füß' konnten wir uns schon verständigen.

Der Dienstags-Zug war schon voll, der Mittwochs-Zug auch, Donnerstag, Freitag schon voll... Aber dann hat sie doch - mille grazie - einen Zug für mich gefunden. Es ist eine ganz beschissene Verbindung, so über Bologna nach Verona und dann bis München. Da muss ich x mal umsteigen, außerdem ab Verona nochmal extra fürs Fahrrad zahlen, weil das konnte sie noch nicht kassieren und weiters außerdem geht mein Zug ab Ravenna am Sonntag in der Früh um 5 Uhr 3 oder so. Die Verbindung ist so beschissen, dass sie wohl keiner haben wollte, aber ich war echt glücklich, dass ich sie kriegte.

Erleichtert machte ich mich auf den Heimweg. Ich fand auch gleich einen meiner Pfeile wieder, die ich frühmorgens auf die Straße gemalt hatte und folgte meinen Wanderzeichen nach Lido di Dante, wo mein Zelt stand.

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