Samstag, 4. Januar 2014

City

Eigentlich hätte ich doch gestern schon ein Päckchen kriegen sollen, zumindest spätestens heute. Als es klingelte, rannte ich auch gleich an die Tür, drückte auf und rief runter zu Renate, die grad die Hausordnung machte: "Wer issn da? Ist das der DHL?" Eine männliche Stimme rief rauf: "Hier ist der DHL!" Ich freute mich schon, aber als der Herr oben war, war's nur der Joachim, der mich besuchen wollte. "Jetzt hab ich gedacht, da kommt ein hübscher, junger Mann rauf und bringt mir ein Päckchen" sagte ich enttäuscht "und jetzt bist es bloß DU!" Lang störte mich der Joachim nicht, er wollte bloß was von den alden Daggeln wissen und dann trollte er sich wieder.

Ich ging derweil vor ins Cafe und wartete, weil die Renate war noch nicht fertig mit der Hausordnung und kam dann nach. Heute tratschten und lästerten wir nur über Männer, gar nix Philosophisches.

Morgen ist ja Sonntag, übermorgen schon wieder so ein ätzender Feiertag, also machte ich mich dann heut gleich noch in die Stadt, bissel einen Trubel und Leben von der Straße einfangen.

Es nieselte. Der Winter ist diesmal arg mild! Es fror noch gar nicht richtig. Das hat den Nachteil, dass das Ungeziefer nicht erfriert und so gibt es dieses Jahr wohl wieder ganze Schwärme an Mücken und Christen.

Diese da mit ihren Bibel-Wägelchen gab's gleich dreimal an verschiedenen Ecken der Shopping-Area.

Sie treffen sich nach erfolgloser Mission am Abend dann immer vor der Lorenzkirche mit den Kollegen aus den anderen Straßen und rollern gemeinsam vor zum Bahnhof. Offensichtlich sind sie nicht von hier.

An der Lorenzkirche hörte ich eine vertraute Stimme in die Passanten brüllen: Da stand unser City-Clown, der Mülltonnen-Prediger! Schwere Konkurrenz hat er momentan, denn am Dutzendteich gastiert gerade der Zirkus Flic Flac mit echt attraktiven Jux-Nummern. Elementare Streitfragen tun sich da auf, zum Beispiel: Wer wird der Clown des Monats?

Das christliche Kasperletheater hab ich echt vermisst und mir schon fast Sorgen um unseren lieben Realsatiriker gemacht: Es wird sich doch nicht den Hals gebrochen haben? Da es noch kein Glatteis gab, hat ihn vielleicht der Satan die Treppe runter geschubst? Jaja, sowas soll's ja alles geben...

Aber alles Bangen war umsonst, hier ist er wieder! Er hat sich den Bart gekürzt und eine Mütze übergezogen und sieht jetzt ganz unscheinbar und normal aus. In der Dunkelheit war er in seinen trüben Klamotten auch kaum auszumachen. Ich find, in den Wintermonaten sollten Christen mit Laternen rumlaufen oder ein paar Grablichter um sich rum stellen, wenn sie predigen, sonst stolpert sie noch irgendwann mal einer über den Haufen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wenn ein Christ sich den Hals bricht, so erklären Christen gerne, hat Gott diesen Menschen zu sich genommen.
Bricht sich beim selben Sturz der/die Gläubige nicht den Hals, so erklären Mitgläubige dann, Gottes Hand habe das Schlimmste verhindert.

Solche Reden sind einzig albern, allerdings nicht für Christen.
Dabei wäre die Beobachtung gar nicht schwer zu machen, wie sich der Glaube im Alltag letztendlich äußert, denn; an Gott zu glauben bedeutet immerhin, trotzdem sterben zu müssen.

Noch albener ist zu glauben, man sei durch die (oder auch eine erneute) Taufe bereits vor dem ersten bzw. irdischen Tot ein so genannter "wiedergeborener" Christ.
Also; ich weiß ja nicht, wie Christen sich einen erneuten Geburtsvorgang vorstellen, aber ehrlich gesagt, wollte ich diesen auch nicht bewusst noch einmal...
Na ja, lassen wir das.

Obwohl... die Vorstellung noch einmal 9 Monate im Bauch herum zu schwimmen, hat schon was, denn immerhin ist es dort schön warm (sofern natürlich kein Halsbruch dazwischen kommt).
Man weiß zwar nicht, wo man sich genau befindet (und noch weniger, was für Ereignisse noch anstehen), was aber auch - wie bereits angedeutet - ganz gut so ist.
Außerdem muss sich das Hirn während der Schwangerschaftszeit eh erst mal um ein gutes Stück weit entwickeln, bevor sich erste Erlebnisse als zugleich Lebenserfahrungen darin speichern können.
Diese Erfahrungen wirken zwar vornehmlich emotionell prägend, weil man ja die außerbäuchlichen (außerweltlichen) Geräusche um einen herum, wie z. B. die Stimme der Mutter, oder auch die Stimme des Vaters (je nach Glück halt) und sonstig Akkustisches nicht zu deuten weiß, aber; erste Erfahrungen sind nun mal nicht anders.
Man bekommt schon einiges mit, nur weiß man all das nicht zu deuten.

Nicht weniger rätselhaft, als auch dramatisch, geht es nach Ablauf dieser paradiesisch anfühlenden 9 Monaten im Bauch der Mutter als bis dahin einzig erfahrbare Umwelt zu, denn was dann passiert, wird einem ebenso erst um viele Jahre später bewusst gemacht.
Zwar nicht unbedingt durch Christen, die in Fussgängerzonen herumlungern, aber egal.
Jedenfalls wird man als Neuling plötzlich abgestoßen, oder verstoßen.
Erwachsene nennen das "Geburt".
Aber die grad geboren werden, wissen diesen Vorgang weder zu benennen, noch zu begreifen.
Aber dramatisch gewaltig geht es zu.
Glücklicherweise kann man als grad erst geborener Mensch all das Gedrücke und Gezerre nicht deuten, begreifen, irgendwie ordnen, aber im Hirn werden zumindest all diese emotionellen Erfahrungen eingelagert.

Diese im Unterbewusstsein eingelagerten Erfahrungen sind aber nicht nur emotionell mehr oder weniger stark prägend, sondern beeinflussen auch das, was wir weiterhin über Jahre hinweg rein intuitiv empfinden.
Die Frage ist nur, wie man "Gläubigen" diesen emotionell prägsamen Entwicklungsverlauf bewusst machen kann, denn aus keinem anderen Grund meinen diese Leute, die Anwesenheit einer "irgendwie außerweltlichen Kraft" noch immer spüren zu können.

Mutterbauch = Paradies
Wehen = Konflikte
Geburt = Vertreibung
...

Kurz: Gläubige wissen zwar nicht, warum sie an unbegreiflich gigantische Kräfte glauben, zumindest aber erklären die das recht gut.

Grüsserlchen, J.